Stöckelschuhe – Elsa oder die Kunst auf Stöckelschuhen zu gehen

Längere Zeit haben Mann hoch Vier nichts von sich hören lassen. Was nicht heißt, dass das Leben sie nicht bunt weiter getrieben hat – in neue Lebensphasen, Krisen, Glücksmomente,  Männersachen in Kombination mit Frauensachen, wie zum Beispiel in dieser Geschichte wo es konkret  um die Kunst auf Stöckelschuhen zu gehen geht.
Die Ausgangslage dieser neuen Serie ist folgende. Der Kleine hat jubilierend den Kindergarten erobert, der Mittlere ist im leicht melancholischen Übergang zum Gymnasium, nach dem Großen hat die Pubertät himmeltief gegriffen. Der größte der Männer verabschiedet sich langsam von einer Phase, die allgemein als „Midlife“ bezeichnet wird, gespickt von tiefen Krisen und glanzvollen Hochgefühlen. Die Wellen und Wogen schlagen wechselnd kräftig und dann doch wieder sanft und gütig nach uns.
Ich bin begeistert, wenn du wieder mit einsteigst, „in unser Familienboot“, und uns auf der bewegten Fahrt auf hoher See mit „Mann hoch Vier“ begleitest!  Wir starten mit dem Kleinsten …

Elsa oder die Kunst auf Stöckelschuhen zu gehen

Der Kleinste liebt Stöckelschuhe. Eigentlich muss ich zugeben, dreht sich seine Welt vordergründig um die Welt der Schuhe. Er sagt zu den Schuhen „Schühe“, womit wir eigentlich schon ursächlich merken hätten müssen, dass Schuhe etwas Besonderes für ihn sind. Denn sonst spricht er alle „u“ auch als „u“ aus. Er verbringt Stunden in unserem Vorzimmer und sortiert meine Stöckelschuhe nach Farben, Größen und Höhen. Zwischendrin höre ich ein leises Seufzen „Warum kann ich nicht so schöne Schühe haben?“ Natürlich werden die Schuhe auch anprobiert. Gestöckelt werden darf damit nur im Vorzimmer, denn der naturbelassene, geölte Holzboden verkraftet das kraftvolle Stöckeln eines kleinen Mannes nicht. Also wird in unserem eher überschaubaren Vorraum gestöckelt, probiert, nachhaltig über die Ungerechtigkeit der Schuhverteilung in der Familie geseufzt und immer wieder versucht, doch noch den Holzboden für einen Walk auf Stöckelschühen zu erobern.
Wenn Besuch kommt, der meist durch das hysterische Bellen unseres Hundes oder die ohrenbetäubend laut eingestellte Gartentorklingel (er das wohl war) unüberhörbar angekündigt wird, bleiben dem Kleinsten gerade noch 60 – 120 Sekunden, ehe er freuden-stöckelnd dem Besuch entgegenlaufen kann. Und ich übertreibe nicht, wenn ich „laufen“ schreibe. Denn er hat durch stetes Üben gelernt, auf 10 cm – Absätzen unsere abschüssige Einfahrt hinabzulaufen. Sturzfrei.
Neben den Schuhen zählen Kleider zu einer weiteren Leidenschaft unseres Kleinsten. Auch hier sehe ich ihn oft vor meinem geöffneten Kleiderschrank stehen: „Mama, warum habe ich nicht so schöne Kleider?“ „Mama, warum trägst du nicht jeden Tag so schöne Kleider?“ Aber der junge Mann weiß sich zu helfen. Ausrangierte Mama-Nachthemdchen, trägerlose T-Shirts, ungebrauchte Shirts der großen Brüder, die (für pubertierende Jungen) peinliche rosa Sterne haben, werden von ihm zu Kleidern umfunktioniert, mit Gürtel und anderen Accessoires aufgepeppt und erbarmungslos zu jeder Wetterlage draußen, Stimmungslage drinnen getragen. Ich habe einmal versucht, die Umkleideaktionen des Kleinsten an einem Tag zu zählen, erfolglos.
Eines Tages besuchten wir des Kleinsten Freund, der das Glück hat, 3 große Schwestern zu haben. Die Schwestern hüten eine große Kiste mit allen möglichen Mädchen-Verkleidungssachen. Der Kleinste und sein Freund haben ein festes Ritual. Nach 3 Sekunden Beschnuppern und Feststellen, dass man sich immer noch mag, bauen sich die beiden Jungs eine Umkleidekabine aus Sofapölstern, holen aus dem schwesterlichen Reservoir die wunderschönsten Prinzessinnenkleider, ziehen sich fast schon professionell aus und mit den glanzvollen Kleidern wieder an, begutachten sich gegenseitig und spielen den Rest des Nachmittags in diesen Kleidern. Prinzessinnenkleider schließen in diesem Fall Räuberspiele, Ritterwettkämpfe und Drachentötungen nicht aus. Der Freund oder besser gesagt seine Schwestern besitzen auch ein Elsa-Eisprinzessinnenkleid. Der Kleinste liebt dieses Kleid und konnte seinen Freund überreden, das Kleid für unbefristete Zeit auszuborgen. Glückstrahlend führte der kleine Mann fortan das Kleid in seinem Kindergartenrucksack mit und wurde von allen Mädchen in der Regenbogen-Gruppe maßlos bewundert. Woraufhin er Bestellungen für Prinzesssinnenkleider aufnahm und mir diese Liste stolz überreichte. Für 15 Mädchen sollte ich also nun glitzernde Kleider besorgen. Das Selbstbewusstsein des kleinen Mannes überstrahlte alle Zweifel der anderen Kinder, er war einfach der, der er war. Ein kleiner Mann in einem Eisprinzessinnenkleid.
Unlängst wollten wir in die Oper zu einem Sitzkissenkonzert gehen. Der Kleinste plante hoffnungsvoll schon tagelang davor seine Garderobe, Schmuck und Schuhwerk. Wir fuhren mit der Straßenbahn, gingen ins Café und besuchten dann das Konzert. Seine beste Freundin an seiner Seite. Der Kleinste trug das grün-silber-glitzernde Eisprinzessinnenkleid, drei Ketten aus Mamas Modeschmuck um den Hals, zwei Armreifen aus meiner Schmuckschatulle an den kleinen Ärmchen. Die High Heels konnte ich ihm gerade noch ausreden. Wir zuckten nicht einmal mit der Wimper.

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