Über das Wunder, die Hände frei zu haben

Erfahrungen zur Handynutzung unter Pubertieren

Unsere zwei großen Söhne sind Handybesitzer. Mit Stichtag 10. Geburtstag haben beide jeweils ein mobiles Gerät von uns bekommen, die sie seither, außer wir fordern sie dazu auf, immer bei sich tragen. Wir fordern sie relativ oft dazu auf, ihre Handys wegzulegen. Wir vertreten die Theorie, dass Begeisterung für Dinge wie Sport, Kreativität, Musik, Gespräche und Bücher zumindest die größte Suchtgefahr abwenden kann.

Wir versuchen als Elterngeneration die neue digitale Generation zu verstehen, ihre Kommunikationswege nicht ständig zu hinterfragen und Verständnis für die Identifikation der jungen Menschen mit ihren Geräten aufzubringen. Wir haben konsequente Regeln über die Verwendung der Geräte aufgestellt. Wir kontrollieren ihre Datenflüsse, ihre Spielzeiten und kaufen nur alle zwei Monate eine neue Wertkarte.

Wir haben alles im Griff. Alles, außer ihre Hinterlistigkeit.

Alles, außer den Druck und die Erwartungen, die von draußen in unser familiäres System einfließen. Alles, außer ihre technische Überlegenheit.

Zuerst ein paar Worte zur Hinterlistigkeit. Das eine Kind: „Mama, ich gehe hinauf in mein Zimmer“. Mutter: „Stopp, das Handy aus der Hosentasche!“. (Die Jungs dürfen die Handys nicht mit in ihr Zimmer nehmen). Das andere Kind „Mama, ich höre eh nur Musik, ich muss Matheaufgabe machen.“ Mutter: „Du wolltest lernen und Musik hören, warum schreibst du dann Whatsapp-Nachrichten?“ Zugegeben harmlos, trotzdem der Anfang vom Ende. Wir Eltern wissen: wenn wir hier nachlässig werden, dann nehmen sie nicht nur unseren kleinen Finger, sondern die ganze Hand.

Dann kommen die Freunde ins Spiel, die Peer-Group. Leider gibt es in unserem Umfeld viele technikverliebte Eltern. Diese Eltern kaufen ihren Kindern die teuersten, besten Geräte. Die Kinder nehmen sie mit in die Schule und schon wollen unsere Kinder auch so tolle Geräte. Zu Hause hören wir dann: „Aber der xxx hat schon wieder ein neues Handy, warum kriegen wir das nicht auch?“ Wir: „Weil wir der Meinung sind, dass die Geräte, die ihr besitzt völlig in Ordnung sind“. Diesen Dialog führen wir über Autos, Mobilgeräte, Tabletts, Fernseher, Mountainbikes, bald wahrscheinlich über Waschmaschinen.

Die technische Überlegenheit ist ein unangenehmes Thema, denn manchmal verstehe ich wirklich kein Wort von dem, was mir meine Söhne erzählen.Ich könnte dann über literaturwissenschaftliche Fragen sprechen. Ich könnte die Augenbrauen heben und um Erklärung bitten oder ihnen stumm nickend zustimmen. Meistens wähle ich die dritte Option.

Was aber tun, wenn sich die Jugend der elterlichen Kontrolle entzieht?

Nun trägt es sich zu, dass die jungen Männer auch immer wieder für eine Woche auf Schikurs, Englischcamp oder Wienwochen fahren und sich unserer wohlmeinenden Beobachtung entziehen. Rechtzeitig zum Einzahlungstermin der Reisekosten keimt auch immer die Frage der Handynutzung unter den Eltern auf.

Wir haben letzten Sommer die großartige Erfahrung gemacht, dass unser Großer auf Englisch-Camp war. Nicht, dass er schlecht in Englisch wäre, es ging eher um den Spaß. Und der Spaß war groß. Es gab einen einzigen bitteren Moment.

Am Tag der Ankunft mussten ALLE ihre Handys abgeben.

Pro Tag stand ihnen dann eine Stunde das Gerät für persönliche Verrichtungen zur Verfügung. Ganz ehrlich: Unser Sohn hat sein Handy in dieser einen Woche nur einmal verwendet. Dann die ganze Woche nicht mehr. Er hat eine ganze Woche ohne Handy überlebt! Und er war glücklich dabei, im Originalton: „Das war super ohne Handy!“ Ich stelle mir vor, dass die Jugendlichen dann in dieser vergnüglichen Sommerwoche miteinander gesprochen haben. Sie haben wohl die Augen aufgemacht, für das was sie gesehen haben.

Sie hatten endlich ihre Hände frei und konnten vieles tun, was sonst einfach nicht geht, wenn man ein Handy in der Hand hat – einen Ball fangen zum Beispiel.

Es war grandios. Und mit Sicherheit die wertvollste Erfahrung im Jahr eines heranwachsenden jungen Mannes im 21. Jahrhundert.

Nun steht der Schikurs des Mittleren an. Unter den Eltern und Lehrern wir schon diskutiert. Einige Eltern sind besorgt, sie wollen täglich wissen, wie es ihrem Kind geht. Ich habe hier eine sehr klare Einstellung. Wenn ich schifahre, brauche ich kein Handy. Da habe ich Schistöcke und dicke Handschuhe. Wenn ich zu Mittag esse brauche ich kein Handy, dann habe ich Messer und Gabel. Wenn ich müde bin, brauche ich auch kein Handy, dann brauche ich ein Bett. Wenn ich Freunde um mich habe, brauche ich meine Eltern nicht anrufen und meine Eltern brauchen mich nicht anrufen.

Wenn es einem Kind schlecht geht, gehe ich davon aus, dass Vertrauenspersonen von Seiten der Lehrer und Lehrerinnen da sind, die sich bei uns Eltern melden. Außerdem gibt es so etwas wie gute Freunde. Ich möchte hier an dieser Stelle alle Eltern dazu einladen, loszulassen. Geben Sie ihren Kindern die Chance, eine Woche ohne Handy zu verbringen. Es lernt dann vor allem zwei Dinge: Ich lebe, obwohl ich nicht wische und tippe. Die Welt ist wunderbar, wenn ich den Kopf hebe.