Fürs Campen bestimmt: mister fox in Aufbruchsstimmung

Unser mister fox auf dem „Kamenjak“

Vanlife auf der Insel Rab: wilde Winde und überraschende Landschaften

Den kalten Frühling und die raue Zeit der letzten Monate fristete unser mister fox ein trauriges Dasein. Vanlife war nicht drin. Er durfte uns zum Schifahren bringen, um danach gleich wieder in der Garage zu stehen. Er durfte leblose Möbel und Holzlatten transportieren. Dann endlich, Ende Mai verbreitet sich das Gefühl des Aufbruchs. Campen und sein Duft liegen in der Luft.

mister fox steht in der Einfahrt, er wird geputzt, gepackt. Es wird von der Ferne gesprochen. Gewohnt, loszufahren, einfach so. Jetzt grübelnd über den Websites der Autofahrerclubs und Außenämter. Wohin darf man fahren, wohin nicht, welche Regeln gelten dort, was brauche ich da für die Einreise, was brauche ich dann aber für die Rückreise? Impfzertifikate, Einreisegenehmigungen, Ausreiseformulare, Antikörpertest. Begriffe und Bedeutungen, die uns vor wenigen Monaten in Europa nichts bedeuteten. Nun bedeuten sie die Welt. Die kleine Welt der Nachbarländer, die einst so normal und erschließbar war, verwandelt sich zum Sehnsuchtsort, zum Ablageort aller unserer verpassten Möglichkeiten, zur Traumfabrik der verschlissenen Ideen, wissen wir ja nicht, ob die alten Träume noch etwas taugen.

Dann endlich ist alles bereit. Geimpfte Großeltern, getestete Kinder, erzogene Haustiere. Sie alle bleiben zu Hause. Reisetaugliche Eltern, mister fox, der in der Einfahrt brummt. Das Tor geht auf. Wir steigen ein in unsere kleine Welt. Mit dem Schritt in den Van erschließt sich ein ganzes Universum. Denn wir reisen wieder. Vier Tage Vanlife liegen vor uns. Vier Tage fern von Homeoffice, Homeschooling. Weit weg von dem elenden Gefühl, dass alles immer nur noch mehr vom selben ist. Dankbarkeit im Herzen, dass alles so gut lief, für uns und unsere Lieben. Aber doch, kein Tag weiter so. Raus, weg, neu, anders, Weite, Ferne. Das sind die Prämissen, die uns treiben. Wollen uns tragen lassen von den Eindrücken, dem Neuen, das uns auf Wegen begegnet, die wir noch nie gegangen oder gefahren sind. Unser Ziel ist die kroatische Insel Rab. Wir haben diese Insel ausgewählt, weil wir sie nicht kennen und weil sie laut Wetterradar genau dort liegt, wo schon ein bisschen Sommer, ein bisschen Milde sein sollte.

Mountainbikes und Wanderschuhe, ein voller Kühlschrank und zwei Flaschen Wein – so geht Vanlife mit mister fox.

Der Grenzposten zwischen Österreich und Slowenien winkt uns durch. An der slowenisch-kroatischen Grenze werden unsere Pässe gescannt, ich bin nervös, obwohl ich weiß, dass wir alles richtig machen. Was hat diese Zeit aus uns gemacht? Angst vor Kontrollen? Angst, Regeln zu missachten? Der Geist meiner Rebellion jedenfalls versteckt sich am Grenzübergang unter den Sitzen und macht fest die Augen zu. Es passiert nichts. Wir drängen Richtung Süden und verlassen endlich schon bei Karlovac die Autobahn. Auf der Bundesstraße 23 verlassen wir bald die Stadt des berühmten Bieres und gelangen in eine hügelige, grüne Flusslandschaft. Unser Frühstücksbauch knurrt, der Hunger entdeckt einen großartigen Jausenplatz am Fluss inmitten von hohem Gras und verwitterten Holzbänken. Wir sind allein, das erste Käsebrot auf Reisen ist das beste. Die kurvenreiche Straße versetzt den Fahrer und mister fox in Höchststimmung, immer wieder überholen uns Motorräder. Neugierig schauen wir auf die Kennzeichen. Meist sind es ungarische Motorradgruppen, die unseren behäbigen Mister Fox grüßend überholen. Alle treffen sich wieder in Brinje. Wir lesen, dass die Stadt schon in der Antike eine bedeutende Siedlung aufweisen konnte. Beeindruckt, selig, einfach weil wir unterwegs sind, kochen wir Kaffee. Ein Aussichtspunkt über die fruchtbare Ebene, ein letzter weiter Blick, ehe die enge, dunkelgrüne, felsige Landschaft uns das Meer zuerst vorenthält, dann aber doch mit höchster Großzügigkeit preisgibt.

Während mister fox der kurvenreichen Küstenstraße folgt, bemühe ich mich, so viele Blicke auf das Meer zu ergattern, wie es nur möglich ist. Als wäre diese Stunde Fahrt meine einzige und letzte Möglichkeit, das Weite, das Blaue, das Unendliche zu sehen.

Das Meer flüstert mir zu.

„Beruhige dich“, flüstert es mir zu, als wir dann doch einige Minuten direkt am Wasser entlangfahren. „Ich laufe dir nicht weg.“

Wir wissen, dass die Fähre von Stinica nach Rab einmal pro Stunde fährt, das nimmt uns den Stress, denn: eine Stunde warten und aufs Meer blicken, was kann Schlimmeres passieren? Der Ticketschalter öffnet exakt 30 Minuten vor Abfahrt. Das Ankommen der Fähre verursacht in meinem Inneren ein kleines Erdbeben. Ich sehe zu, wie das Schiff langsam, aber bestimmt auf den Hafen zukommt, ich lausche dem Motor, der von Wellen und Winden erzählt, ich sehe das große Tor, das sich langsam herabsenkt, einladend, wohlwollend. Ein Versprechen liegt in dieser Ankunft. Es ist die Verheißung der Fremde. Drei Songs mit dem Sound der Achtziger gehen sich aus, wir bleiben bei mister fox, niemand steigt aus. Dann öffnet sich das Tor ins Neue. Wir verlassen das freundliche Meerestier, eine Mondlandschaft erstreckt sich vor uns. Dieser Teil der Insel ist eine kahle, steinige, felsige Welt. Das Blau des Meeres hat vermutlich den größtmöglichen Kontrast einfordert: fast weißer Fels, von der Witterung flach geschliffen. Wir wissen, dass auf der Insel auch uralte Eichenwälder, knorrige Olivenhaine, undurchdringliche Macchia zu finden ist.

Mondlandschaften auf Erden.

Gerade aber fühlen wir uns, als wären wir mit mister fox zum Campen auf dem Mond gelandet.

Wild campen ist in Kroatien nicht ratsam. Sämtliche Plätze, Aussichtspunkte, wilde Strände werden von der Polizei kontrolliert. Darum suchen wir in Kroatien immer nach kleinen, naturnahen, freundlichen Campingplätzen. Ohne Pool, ohne Wasserrutschen, ohne Animationsprogramm. Auf Rab ist dies der Campingplatz „Wodenca“. Er liegt am äußersten Rand der langgezogenen Ortschaft Barbat. Zwanzig Stellplätze in einem Olivenhain, eine saubere Toilettanlage und ein kleiner Strand vor dem Tor. Genau so wollten wir es. Der Platz ist fast leer, wir zählen 6 Camper, allesamt Vans und kleine Wohnmobile. Die Straße zum Campingplatz ist sehr schmal, eine natürliche Auslese.

Noch kann ich es nicht fassen, dass wir am Meer sind. Ungläubig halte ich meine Nase in den Wind. Der bläst stark und unerbittlich. Ein paar Kinder spielen am Strand, Möwen gesellen sich zu ihnen, Eltern versorgen mit Obst und Keksen. Wir müssen nichts tun. Nur schauen, spüren, atmen. Ungläubig noch immer, für niemanden zuständig zu sein, ist der Kaffee schnell gebrüht, der Inhaber des Campingplatzes bringt uns Schnaps und holt unsere Pässe. Entschleunigt, schon jetzt. Die Reise hätte sich schon für diesen Moment gelohnt. Der erste Spaziergang am Meer bricht das monatelange Sehnen in ein großes Glücksgefühl entzwei. Der Wind ist fast ein Sturm und bläst uns entlang der scheinbar neu gebauten Promenade, die bis in die Hauptstadt führt. Links beständig und treu das wellige, unschlüssig grau-blaue Meer, rechts Appartements, geschlossene Restaurants und Boote. Wohin unsere Augen schauen, gibt es auf Rab Boote. Boote im Wasser, Boote in Gärten, Boote auf Abstellplätzen, Boote in Werften.

Boote vor der Hauptstadt Rab.

Sie alle scheinen auf den großen Tag zu warten, an dem der Wind nur mehr leise singt, das Meer hellblau zu einer Fahrt einlädt, die Sonne sanft den Kuss zur Abfahrt gibt. Noch ist es sehr still auf der Insel.

Der tiefe, zufriedene Schlaf packt uns. Am Morgen Frühstück für zwei, Musik nur für uns. Kein Jammern, Zetern und Zanken der Brut. Aufbruchsstimmung. Zwei Räder, ein Rucksack. Der Himmel ist grau, der Wind ist steif. Hauben, Windjacken und lange Hosen. Macht uns nichts, der Entdeckergeist ist erwacht. Wir wollen die Insel sehen, spüren und verstehen. Mit den Rädern fahren wir mit Rückenwind entlang des Meeres die zwölf Kilometer bis zur Hauptstadt. Rab ist berühmt für seine alten Kirchtürme und seine malerische Lage. Der graue Himmel, die Regentropfen verhüllen das Städtchen mit einem zauberhaft verschlafenen Mantel, wir laufen durch alle Gassen, staunen über die Baukunst, die teilweise bis in die Antike zurückgeht. Wandern auf Wegen, auf denen schon im Mittelalter wohlhabende Familien ihre Leben in die Hand der Insel gelegt haben.

Immer wieder blitzt die Sonne hervor, wir trinken unter der Markise eines Cafés Tee, staunen über die Leere, mit der die Insel uns aufwartet. An den Kauf von Souvenirs ist nicht zu denken, denn es hat kein einziges Souvenirgeschäft offen. Wir stellen uns dieselben Orte im August vor und sind froh, den kalten Corona-Frühling als Begleiter zu haben.

Auf den Rädern fahren wir weiter bis Kampor. Von dort aus erstreckt sich die grüne Halbinsel mit dem Namen Kalifront. Dichte Pinie- und Eichenwälder verbergen den freien Blick aufs Meer. Vom Wind und Regen geplagt, breitet sich in diesen Wäldern das Gefühl von tausenden kleinen Weltuntergängen aus. Kein Baum ist gerade. Jeder Ast folgt dem Wind. Jeder Zweig richtet sich zur Sonne aus. Wir radeln auf den gerölligen Wegen bis zu den exponiertesten Stellen, dort überlässt der Wald dem Meer kleine, verwunschene Übergänge. Die winzigen Strände und Buchten, die jetzt menschenleer im Sturm vor dem Wellenmeer und Gischt daliegen, machen uns sprachlos. Dem Meer sind wir egal. Klein und unbedeutend halten wir uns an den letzten windschiefen Bäumen fest, um nicht davongeblasen zu werden.

Ein launiges Kaffee am Meer kurz vor der Hauptstadt.

Die Träume aber halten wir fest, sie schwingen um uns wie seidige geisterhafte Fäden. Immer hier stehen bleiben, immer dem Wind den Kopf bieten.

Vanlife pur am Abend. Wir kochen, trinken Wein und essen draußen, lesen, die Augen fallen zu. Windstill ist die Nacht im Van. Die Träume geistern ihre Wege. Bereit für den nächsten Tag. mister fox möchte bewegt werden. Er will steinige, felsige Wege fahren, steil und unwegsam. Wir folgen seinem Ruf und fahren mit ihm hinauf auf den höchsten Punkt der Insel. Der Weg ist schmal, Kurve folgt Kurve unter uns das Meer, wir fahren in eine andere Welt. Denn dort oben, auf dem Kamenjak, der nur 408 Meter über dem Meer hinausragt, ist die Welt wieder eine andere. Der Wind hat dort oben aus den Felsen Kunstwerke geblasen. Wir gehen durch die Mondlandschaft, der Wind bläst so heftig, dass ich nichts mehr höre, nur das Heulen der Natur, das Flattern der Kapuze. Ein paar Schafe grasen hier oben das karge Grün, Mister Fox steht zufrieden am Straßenrand. Ja, so hat er es sich vorgestellt.

In den letzten Jahren wurde von Touristikern auf der Insel unzählige Radwege erschlossen und markiert. Wir möchten mit den Rädern auf die Hochebene Fruga. Der Weg dorthin ist eine der archäologischen Radrouten, die entlang von alten Befestigungen und Brücken führt. Es sind nur etwa 100 Höhenmeter, die wir auf dem schmalen Trail hochfahren. Mit ein wenig Bikeerfahrung eine sehr freudige Route. Oben geht es auf und ab, mal Geröll, mal Waldboden. Schafe zu beiden Seiten, bis sich vor unseren Augen das Meer entfaltet.

Das Schöne an Rab ist, dass das Meer immer greifbar bleibt.

Türme, Kirchen, Mauern, Winde – das ist Rab.

Hinab geht es entlang der Steilküste fast bis in den Ort Lopar. Wir jedoch kehren um, zurück zu Mister Fox, dem wir nun noch eine echte Offroadroute auf dem Landvorsprung Sorinj gönnen, für Mutige: An der Mülldeponie und unzähligen verwitterten Verbotsschildern vorbei, führt ein schmaler Weg zur Kirche Sankt Nicolas. Aber eben nicht ganz: Der Weg endet an einer Mauer, von der aus man nur noch zu Fuß oder mit dem Rad weiterkommen kann. Belohnt werden wir mit absoluter Einsamkeit, Windstille, unberührten Wäldern und einem großen Ast, der sich schließlich als riesige Schlange entpuppt.

Der letzte Tag schenkt uns Windstille, einen Spaziergang am wilden Strand von Barbat und ein kleines Van-Wander-Abenteuer. Wir folgen oberhalb von Barbat einem unbefestigten Stichweg, der an unzähligen karg anmutenden Schafweiden vorbeiführt. An einer Weggabelung stellen wir mister fox ab und laufen zu Fuß weiter. Ein alter Wanderweg soll hier oben bis zur anderen Seite der Küste führen. Wir finden tatsächlich Wegweiser und folgen den rot-weißen Markierungen, die an den Steinen aufgemalt sind, in eine immer bizarrer werdende Landschaft. Diese Seite der Insel gleicht einer Befestigungsanlage, die von Menschenhand wohl zum Schutz vor der Witterung gebaut wurde. Menschenhohe Steinmauern säumen ganze Hänge, zwischen denen gerade Platz für zwei Wanderer ist. Wir sehen Schafe und Ziegen, die in den Steinlabyrinthen umherirren, sehen verwitterte Stacheldrähte und Hütten. Oben, auf der Hochebene Pantunja bietet sich uns ein beeindruckender Blick über den Velebit-Kanal. Wir verlassen den befestigten Weg und steigen etwas höher auf das Plateau. Klein und unbedeutend fühlen wir uns wieder angesichts der Elemente Wind und Wasser. Jeder Schritt muss hier sitzen. Wir merken: schauen und gehen klappt hier nicht.

Nun endlich zeigt sich die Sonne, wir haben noch eine Stunde, ehe die Fähre in Misnjak Richtung Stinica am Festland ablegt. Ein schneller Kaffee am Platz in der Hauptstadt geht sich aus, wir schauen in die Sonne und würden nun doch noch gerne bleiben. Weiter auf den unberührten Wegen und Plateaus unseren eigenen Träumen nachjagen. Vielleicht auch ein wenig ruhen. Vielleicht dem Meer einen Fisch abringen.

  1. – 24.5.2021 Graz – Rab / mister fox, Mirijam & Jan